
Das Märchen vom
Schneckerich und der Buchendame
von Andreas Neitz
In einem Holunderbusch lebte ein Schneckerich und suchte nach dem Sinn des Lebens und einem weiblichen Gegenüber, um sich über Ersteres in Liebe auszutauschen. Beides fand er nicht, das betrübte ihn zutiefst.
Also besuchte er ein Schnecken-Zen-Seminar, ein Schnecken-Flirt-Seminar, eine Schneckenmännergesprächsrunde und machte sogar eine Reinkarnationstheraphie. Dort wurde ihm mitgeteilt, das er die Inkarnation eines verunfallten Mountainbikers wäre, der Entschleunigung lernen sollte. Mit alldem konnte der Schneckerich nichts wirklich anfangen und entschloss sich, in ein nahegelegenes Buchenwäldchen zu kriechen um dort Erleuchtung zu suchen.
Es war Frühling, ein sonniger Morgen, als er dort ankam und er sich auf einem
Buchenschössling niederließ, um sich am Frühlingsgrün zu stärken. Er erstarrte vor Schreck, der arme Schneck, als er in das aufgesperrte Maul eines Fuchses sah, der auch frühstücken wollte.
Zufällig (oder gibt es diesen gar nicht?) kam gerade in diesem Moment ein Tonleiterngrölender lila Waldschrat durch den Wald getrampelt. Der Fuchs war so erschreckt, dass er sein Frühstück vergaß, drei Tage in seinem Bau blieb und danach vegane Kochbücher schrieb.
Nach diesem Nahtoderlebnis gingen beim Schneckerich die Lichter an. Er roch den
wundervollen Duft des Waldbodens, das zartschwere Aroma des Mooses. Er sah die
Reflexionen, Sonnenstrahlen und Schatten in den nuancierten Grüntönen des Frühlingslaubs in den Buchen. Und er HÖRTE. In den Buchenkronen war ein Klang!
Ein wundervolles Wispern und Raunen, ein Rascheln und Staunen, ein leises Lachen und
Parlieren. Und es war WEIBLICH! Genau in dieser Sekunde verlor der Schneckerich sein
Herz an den Klang der Buchen, er war unwiderruflich verliebt! Mit der Unbeirrbarkeit aller Verliebten kroch der Schneck am Stamm einer Buche hoch, immer dem Klang entgegen.
„Hallo „ hörte er eine melodische Stimme, “du kitzelst mich am Stamm, was möchtest du denn?“„Ich bin ein Schneckerich, und habe in deiner Krone eine bezaubernde Melodie gehört.
Es war ein Knistern und Raunen, eine Symphonie zum Staunen, ein kokettieren und parlieren, es war unbeschreiblich Weiblich! Ich wünsche mir nichts mehr, als diese Damen kennenzulernen und ihnen meine Aufwartung zu machen! (der Schneckenflirtkurs war wohl doch nicht umsonst gewesen) Bist du vielleicht auch eine wunderschöne Dame?“
„Ja, ich bin eine Buchin. Nenn mich Sylva. Ich als Frau, liebe es gesehen und bewundert zu werden. Du bist der erste Mann, der so mit mir redet. Aber ich kenne auch nur Förster und die reden immer nur über meinen Körper. An sich stehe ich ja nicht so auf kleine Männer, aber du hast Mumm und Esprit. Also komm hoch in meine Krone und dann schau mir in die Augen, Kleiner!“
Das ließ sich der Schneckerich nicht zweimal sagen und war nach zwei Tagen in der Krone angekommen, er wurde danach nicht mehr gesehen.
Was aus den Beiden geworden ist, weiß ich nicht, aber im Herbst sahen die Buchennüsschen aus wie Schneckenhäuschen.
Was ich genau weiß, ist:
Wenn du durch den Buchenwald gehst
und hörst einen märchenhaften Klang,
ein Wispern und Raunen,
ein Lachen, ein Geraschel zum Staunen,
dann mache dein Herz auf und hör zu.
Auch dir wird Wundervolles geschehen.
Dieses Märchen stammt von Andrea Neitz, der in seinem Wirken als Natur- und
Landschaftsführer solche und andere Geschichten erfährt und aufschreibt:

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andreas.neitz2014[ätt]googlemail.com
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