Brauchtum und Baum
Mitternacht ist vorbei. Die erste Raunacht hat die Mittzeit hinter sich.
Draussen tobt seit Tagen ein Föhnsturm. Gestern, am 25. Dezember 2013 nahm er an Stärke nochmals zu. Die Temperaturen sind alles andere als winterlich.
Ab und an gehe ich nach Draussen, horche in die Nacht hinein und höre den Stimmen der Winde zu.
Wilde Gesellinnen und Gesellen, feurig und kraftvoll reiten sie zwischen der Zeit und der Zeitlosigkeit.
Der Wald rauscht. Die Bäume ächzen unter der Wucht der Winde.
Die „Reiterinnen“ und „Reiter“ stürmen nur so dahin. Ich bin mit dem Brauch der Losnächte, der Raunächte aufgewachsen. So lernte ich sie erst mal in einer einfachen Weise kennen und zu beobachten. Erst nach und nach begab ich mich auf die Suche der Zusammenhänge, der tieferen Bedeutungen dieser alten Orakelnächte. Bald war klar, dass es ganz unterschiedliche Betrachtungen, Datierungen, Herangehensweisen und Umgangsformen gibt.
Eine Zeit lang, mir nicht sicher, nach was ich mich nun zu richten, mich zu orientieren hätte, sammelte ich Informationen. Geschichten und Erzählungen alter Menschen halfen mir dabei, die Einfachheit wieder zu finden.
So erlebte und erlebe ich Brauchtum als einen Weg. Ihn zu gehen heisst auch, sich mit seiner persönlichen Geschichte ein zu lassen und das Wertvolle in Überlieferungen für sich zu erkennen. Anderes, was für die „alten Zeiten“ seine Gültigkeit hatte, heute jedoch loszulassen ist, auch ablegen zu können.
Und doch:
In den „alten“ Bräuchen steckt viel Wissen und weises Handeln, das uns helfen kann, uns mit dem Wesen der Natur zu versöhnen.
Mit dem Beginn der Raunächte, mit dieser ersten Nacht der „wilden Leute“, findet sich hier auch der Raum ein, „altes“ Brauchtum, im Besonderen rund um den Baum und Brauchtum, aufzuzeichnen.
Wir begegnen hier Begriffen wie:
- Besprechen von Bäumen
- Übertragen von „Krankheiten“
- Aufsetzen
- Orakel u. v. m.
Die traditionelle Volksheilkunst ist voller Magie und Mystik. Manchmal geradezu erstaunlich in ihrer Schlichtheit und dann auch wieder in aufwendigen Riten eingebettet.
Mir vertrautes Brauchtum, Riten, Zubereitungen und Anwendungen finden nach und nach hier einen Platz.
Vieles ist bis heute nur von Mund zu Mund, oftmals auch ausschliesslich Familiengebunden, weiter getragen worden. Ebenso viel ist heute mehr oder weniger gut zugänglich. Hier hat die Bedeutung der mündlichen Überlieferung genauso ihren Platz. Es macht oft Sinn, dass die Zugänglichkeit zu mündlich überliefertem Wissen auch mit „Erarbeiten“ – dem Gehen eines Weges – verbunden ist.
Hier finden sich Inhalte zu
- Baum-Mythen
- Baumlieder
- Magisches, Mystisches und Spirituelles
- Lebensbäume, Traumbäume, Schwellenbäume u. m.
zusammen.
Inzwischen ist 03:30 Uhr. Die „Wilden“ sind etwas ruhiger. Noch immer rauscht es im Wald. Der Wind ist noch da. Ein Murmeln und Wispern ist in der Luft. Es streicht durch die Äste der Bäume und erzählt. Meine Sinne sind wach und aufmerksam.
Was sie wohl ankünden – die „Rauen“, „Rauchigen“, „Geister“, „Engel“ der Zwischenzeiten, die Vermittler zwischen der menschlichen Zeit und der Zeitlosigkeit der Schöpfung?